Drei Krisen eskalieren gleichzeitig:
Gleichzeitig erodiert die Demokratie in der EU auch unter dem geballten Lobbyismus der Wirtschaft und dem Angriff von rechten Machthabern und Parteien.
Frieden ist eng verbunden mit Klimaschutz und Umweltschutz. Beides kann nur gemeinsam erreicht werden und auch nur, wenn Gerechtigkeit und Ausgleich immer mitgedacht wird.
EU-Diplomatie ist gefordert zum Abbau militärischer Konfrontation und Verhinderung von Blockbildung der Nato gegen BRICS-Staaten zur Vermeidung verhärteter Fronten, damit eine globale Zusammenarbeit im Bereich Klima- und Umweltschutz möglich wird.
Erneuerbare Energien sind eine wirksame Krisenprävention. Die Einführung von Kreislaufwirtschaft spart Ressourcen und reduziert das Konfliktpotential.
Der Fortschritt bemisst sich an der raschen Erfüllung folgender Punkte:
Über Waffenstillstand zu verhandeln, ist nur sinnvoll, wenn der Aggressor dazu bereit ist, sich vollständig aus dem Land zurückzuziehen, das er unrechtmäßig angegriffen hat.
Antwort
Ein Waffenstillstand kann auch dann sinnvoll sein, wenn der Aggressor zu einem Rückzug nicht bereit ist und dieser Rückzug militärisch nicht durchsetzbar ist. Die Waffen schweigen zu lassen, bedeutet nicht, einen unrechtmäßigen Zustand als
rechtmäßig anzuerkennen. So hat die Bundesrepublik die DDR als Staat nie anerkannt, wegen rechtlich ungeklärter Fragen nicht einmal einen Friedensvertrag unterzeichnet
Sie hat aber auch keine militärische Gewalt eingesetzt, um das Recht, von dem sie überzeugt war, durchzusetzen. Dieses Beispiel zeigt: Die Abwägung zwischen Kriegshandlungen und Waffenstillstand muss im Einzelfall neben dem Recht auch die militärische Realität und die politischen Verhältnisse berücksichtigen.
Im Fall der Ukraine ist die Rechtslage eindeutig: Russland ist der Aggressor und befindet sich im Unrecht. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob die Ukraine diese Situation militärisch lösen kann und soll. Aktuell sehen wir die Gefahr eines Abnützungskriegs, der viele Menschenleben fordert, ohne dass auf diesem Weg die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt werden könnte. Um dies zu verhindern, plädieren wir dafür, dass die Ukraine so bald wie möglich Waffenstillstandsverhandlungen anbietet.
Gegenargument „Die Angegriffenen entscheiden über ihre Verteidigung selbst“Ein zu Unrecht angegriffenes Land hat das Recht, selbst zu entscheiden, ob und wie lange es sich gegen das erlittene Unrecht militärisch zur Wehr setzt.
Antwort
Das ist richtig. Aber auch die Länder, die ein angegriffenes Land militärisch unterstützen, haben das Recht, selbst zu entscheiden, in welchem Ausmaß, mit welchem Ziel und unter welchen Voraussetzungen sie ihre Unterstützung leisten.
Im Fall der Ukraine sind hier schwierige Abwägungen zu treffen. Dass die Ukraine zu Unrecht angegriffen wurde, steht außer Zweifel. Insofern ist militärische Unterstützung grundsätzlich gerechtfertigt. Aber sie sollte nicht so geschehen, dass ein Abnützungskrieg entsteht, der zahllose Menschenleben fordert, ohne das Recht wiederherstellen zu können. Auch die Gefahr eines Atomkriegs müssen die unterstützenden Länder in ihrer Abwägung berücksichtigen. In der aktuellen Situation raten wir dazu, die weitere militärische Unterstützung durch den Westen zu verbinden mit dem Angebot der Ukraine, Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen.
Finanzierung ist hier kein Problem, im Gegenteil: Auf Frieden und Kooperation zu setzen spart ungeheure Mittel und setzt Ressourcen frei auch in Wirtschaft und Forschung, sowie in der Politik zur Lösung der Klimakrise selbst, für Bildung (Grundvoraussetzung für Klimaschutz) und soziale Aufgaben.
Europa ist attraktiv: Nach Nordamerika ist es die Region, die weltweit die meisten Menschen anzieht
Dabei brauchen wir Einwanderung. Ohne Einwanderung hätten wir keine Chance, unseren Wohlstand aufrechtzuerhalten. Eine migrationsfreundliche Politik ist deshalb nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit – sie liegt auch in unserem eigenen Interesse.
Doch welche Migration ist tatsächlich in unserem Interesse, welche nicht? Das meinen viele Politiker, sauber voneinander unterscheiden und abgrenzen zu können. Sehen wir also näher zu: Welchen Formen der Migration steht die Europäische Union gegenüber?
Zu uns kommen Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt als Fachkräfte dringend gebraucht werden. Um sie wirbt die EU teilweise aktiv in ihren Herkunftsländern
Von den ArbeitsmigrantArbeitsmigranten unterschieden werden Menschen, die in Europa Zuflucht suchen vor Verfolgung, Krieg und Armut. Das sind die Menschen, deren Zuzug viele drastisch beschränken wollen. Tatsächlich leisten jedoch auch sie Arbeiten, die für unsere Wirtschaft und Gesellschaft dringend benötigt werden. Viele arbeiten in der Pflege, auf dem Bau oder in anderen Sektoren, in denen es an Arbeitskräften fehlt. Dennoch wird ihnen der Zugang immer mehr erschwert.
Migration findet aber auch innerhalb der EU statt. EU-Länder mit Problemen wie hohe Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Armut, Korruption oder staatliche Repression verlieren BürgerBürger an EU-Länder, die Arbeit, Wohlstand und
Sicherheit bieten, darunter auch an Deutschland
Und dann gibt es noch Migration aus der EU in andere Weltregionen. Zum Beispiel von Menschen aus Afrika, die nicht dauerhaft in Europa bleiben wollen und die deshalb irgendwann in ihre Heimat zurückkehren (zirkuläre Migration
Wie reagiert die Europäische Union auf diese unterschiedlichen Formen der Migration?
Häufig wird Zuwanderung als ein Problem diskutiert, das es vor allem einzuhegen gelte. Und gewiss stellt Zuwanderung die aufnehmenden Gemeinden vor Herausforderungen.
Das gilt aber auch für Abwanderung. Zu wenig wird in der öffentlichen Diskussion bedacht, welche Folgen es für Europa hätte, wenn es sich aus einer Zuwanderungs- in eine Abwanderungsregion verwandeln würde. Wie schnell das geschehen kann,
hat Großbritannien nach dem Brexit gezeigt. Dort hat ausländerfeindliche Stimmungsmache dazu geführt, dass viele migrantische Arbeitskräfte dem Land den Rücken gekehrt haben – mit der Folge, dass sich Engpässe in der Pflege und in anderen
Dienstleistungs-Sektoren dramatisch verschärft haben, sodass die damalige Regierung unter Boris Johnson ihre restriktive Visa-Politik wieder lockern musste
MigrantMigranten einzuteilen in unwillkommene und willkommene, um dann die einen abzuschrecken und die anderen zu umwerben: Dieser Plan hat seine Tücken. Denn das Klima der Ablehnung, das durch eine flüchtlingsfeindliche Politik und Rhetorik entsteht, bekommen auch die so genannten MigrantMigranten zu spüren.
Und die kehren nicht nur selbst Europa den Rücken, sondern warnen über Social-Media-Kanäle auch andere Interessenten. Dann fehlen während der Erntezeit die Saison-Arbeitskräfte, der Personalmangel in der Pflege verschärft sich, die Speditionen finden keine LKW-Fahrer-Fahrer mehr, und die wissenschaftlichen Nachwuchs-Talente forschen an amerikanischen statt an europäischen Institutionen.
Wir brauchen deshalb allein schon aus Eigeninteresse eine Willkommenskultur in Europa.
Leider geschieht jedoch immer häufiger das Gegenteil. Menschen, die vor Verfolgung, Krieg und Armut fliehen, werden mit immer drastischeren Methoden daran gehindert, Europa zu erreichen.
Oft steht dahinter die Furcht, dass die MigrantMigranten unseren Wohlstand schmälern könnten. Als ob Wohlstand ein Kuchen wäre, den wir in immer kleinere Stücke aufteilen müssten, je mehr Migrant:innen mit am Tisch säßen.
Diese Analogie führt in die Irre. Denn MigrantMigranten essen nicht nur Kuchen, sie backen auch welchen. Sie nehmen nicht nur Sozialleistungen in Anspruch, sondern sie halten auch das Sozialsystem am Laufen, als Beitragszahlende und als Beschäftigte in Medizin und Pflege. Sie belegen Arbeitsplätze, schaffen aber auch neue.
Städte und Dörfer, die Geflüchtete aufnehmen, brauchen Hilfe. Denn sie müssen ihnen Wohnraum bieten, Kita- und Schulplätze, ÖPNV, Beratung, Sprachkurse und Sozialleistungen wie Bürgergeld und medizinische Versorgung. All das kostet Geld. Immer wieder klagen Gemeinden deshalb, dass sie mit der Zahl der Geflüchteten überfordert seien, auch weil die Hilfen nicht ausreichend seien oder nicht schnell genug kämen.
Diese Gemeinden müssen alle Hilfen erhalten, die sie benötigen. Doch nicht alle Klagen über Belastungsgrenzen sind berechtigt. Insbesondere bei Beschwerden über das Verhalten von MigrantMigranten, die im Internet kursieren, ist Vorsicht
geboten. Solche Berichte lassen sich oft nicht überprüfen oder erweisen sich bei näherer Betrachtung als haltlos
Natürlich dürfen wir auch das nicht verallgemeinern. Es gibt kriminelles und anstößiges Verhalten von Geflüchteten. Berichte über antisemitische Vorfälle dürfen wir auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Und manchmal müssen Männer aus patriarchal geprägten Gesellschaften erst noch lernen, dass Frauen hier gleiche Rechte haben und im Beruf genauso zu respektieren sind wie ihre männlichen Kollegen.
Bei den meisten Geflüchteten rennen wir jedoch mit solchen Botschaften offene Türen ein. Schließlich sind sie auch deshalb zu uns geflohen, weil sie unsere Wertvorstellungen attraktiv finden. Oft sind sie von den rigiden Vorstellungen der Diktaturen, aus denen sie kommen, genauso abgestoßen wie wir.
Wie die EU an den Herausforderungen scheitert
Abschreckung von Flüchtenden ist das oberste Ziel des Gemeinsamen Asylsystems (GEAS), auf das sich die EU-Länder geeinigt haben
Zur Abschreckung von Flüchtenden hat die EU schon vor Jahren so genannte „Mobilitätspartnerschaften“ abgeschlossen
So kooperiert die EU mit Libyen, wo „Dunkelhäutige“ rassistisch verfolgt, ermordet, gefoltert und versklavt werden. Libyens Präsident treibt mit seinen rassistischen Kampagnen die Flüchtenden überhaupt erst aufs Mittelmeer. Dort
werden sie dann im Auftrag der EU von der libyschen Küstenwache abgefangen. Anschließend werden sie an die Schleuser zurückverkauft, denen die EU angeblich das Handwerk legen möchte
Vor diesem Hintergrund klingt der Vorwurf an die Schlepper, sie würden Menschenleben aufs Spiel setzen, wie Hohn. Denn ganz offensichtlich ist der Europäischen Union an dem Schutz dieser Menschenleben nichts gelegen. Oder wie sonst könnten sie mit brutalen Unrechts-Regimen Abkommen abschließen, die diese Schutzsuchenden in höchste Gefahr bringen?
Von den unmenschlichen Zuständen, die die Europäische Union so finanziert, sollen diejenigen MigrantMigranten nichts mitbekommen, auf die es dieselbe EU abgesehen hat: hochqualifizierte Fachkräfte in Mangelberufen. Aber eine Inderin, die von einem Chip-Hersteller wegen ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten angeworben wurde, hängt sich ihre Zertifikate nicht um den Hals. Wo ein migrationsfeindliches Klima herrscht, bekommt sie das genauso zu spüren wie alle anderen MigrantMigranten auch – und hat ihre Koffer schneller wieder gepackt, als uns lieb sein kann.
Deutschland ist allein schon aus Gründen der Bevölkerungsentwicklung dringend auf Migration angewiesen
Die Regierung hätte also allen Grund, für eine Willkommenskultur zu sorgen. Aber dieses Wort nehmen unsere PolitikerPolitiker nicht mehr gern in den Mund, seit die Kommunen über Überforderung klagen und Rechtsradikale sich diese Klagen zunutze machen.
Eingeschüchtert von den Zustimmungswerten für die AfD, hat die Ampel im Herbst 2023 umfassende Maßnahmen zur Abschottung gegen „irreguläre“ Migration ergriffen. Beschlossen wurden unter anderem verschärfte Grenzkontrollen, beschleunigte
Asylverfahren, eine härtere Abschiebepraxis und Leistungskürzungen. Damit von diesen gekürzten Leistungen nichts abgezweigt werden kann, um die Not der Verwandten in der Heimat zu lindern, soll eine Bezahlkarte eingeführt werden
Um Härte zu demonstrieren, schreckt die Ampel nicht einmal davor zurück, den JesidJesiden Schutz zu verweigern, die mit Müh und Not dem IS-Terror entronnen waren, den der Bundestag selbst als Völkermord anerkannt hat. Sie sollen nun wieder
Tür an Tür mit ihren ehemaligen Peinigern leben müssen
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Deutschland wenig erfolgreich darin ist, begehrte Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen und zu halten. Abgestoßen von Diskriminierungserfahrungen und einer uferlosen Bürokratie, kehren
viele teuer angeworbene Fachleute uns wieder den Rücken, kaum dass sie angekommen sind: Bei der sogenannten „Bleibeattraktivität“ liegt Deutschland von 53 Ländern auf Platz 49
Die deutsche Wirtschaft hat die Gefahr erkannt: Während viele PolitikerPolitiker sich immer noch scheuen, von „Willkommenskultur“ zu sprechen, wird sie von Wirtschaftsvertretern wie Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger nachdrücklich
eingefordert
Die politischen Repressionsmaßnahmen gegen Menschen auf der Flucht seien leider nötig, wird uns suggeriert, um irreguläre Flucht zu verhindern und reguläre Flucht zu ermöglichen.
Aber was soll das sein – „reguläre Flucht“?
Stellen wir uns vor, einer jungen Frau in Eritrea, die unter Dauerbewachung durch ihre Großfamilie steht, eröffnet sich während einer Hochzeitsfeier unerwartet die Möglichkeit, über die Landesgrenze zu fliehen. Wenn sie diese Chance
ergreift und sich nach Europa durchschlägt: Flieht sie dann „irregulär“
Oder denken wir an den zwangsrekrutierten russischen Soldaten
Für die meisten Menschen, die sich aus Afrika nach Europa aufmachen wollen, stellt sich die Frage ohnehin nicht: Sie wissen, dass ihnen die EU so gut wie keine regulären Migrationswege eröffnet. Ihnen bleibt nur die „irreguläre“ Flucht über das Mittelmeer.
Uns wird erzählt, dass die EU so handeln müsse, weil die meisten Geflüchteten gar nicht verfolgt seien, sondern nur in unsere Sozialsysteme einwandern wollten. Tatsächlich werden jedoch beispielsweise in Deutschland die meisten Asylsuchenden sehr wohl von den Gerichten als Verfolgte anerkannt. Und von den Geflüchteten, die 2015/2016 nach Deutschland kamen, sind trotz sprachlicher und anderer Hürden mittlerweile 55 Prozent in Arbeit. Tendenz steigend.
In die Ausbildung derjenigen Menschen zu investieren, die von sich aus bei uns Schutz suchen, zumal wenn ihre Verwandten hier bereits eine zweite Heimat gefunden haben: Das ist allemal kostengünstiger, als aufwändig Arbeitskräfte
anzuwerben, die sich am Ende doch für die USA oder Kanada entscheiden
Wer in Sachen Migration nach humanen Lösungen sucht, muss sich zuerst von der Illusion verabschieden, dass sich fein säuberlich unterscheiden ließe zwischen berechtigter und unberechtiger Migration – wobei die unberechtigte Migration den Löwenanteil ausmache, während die berechtige Migration nur sehr geringfügig und deshalb leicht zu managen sei.
Die traurige Wahrheit ist: Europa ist wie eine Insel in einem Meer von Unterdrückung, Not und Verzweiflung in dysfunktionalen Diktaturen, die bei der Versorgung ihrer Bevölkerung mit dem Allernotwendigsten versagen und in denen die
Menschen in ständiger Furcht vor staatlicher Repression leben, weil dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden
Wie sollen wir Flüchtenden aus so gewalttätigen Regimen wie Russland, Irak, Iran, Libyen oder Eritrea, um nur einige zu nennen, das Recht auf Flucht absprechen? Wer von ihnen flieht „irregulär“ oder gar „illegal“?
Gewiss können wir nicht alle Menschen aus diesen Ländern aufnehmen. Es wollen aber auch nicht alle zu uns. Was jedenfalls das Mindeste wäre: Wir sollten nicht anständig tun, wo wir es nicht sind. Stattdessen sollten wir ehrlich zugeben, dass wir hinter dem zurückbleiben, was unter humanitären Gesichtspunkten nötig wäre.
Natürlich wäre das allein noch nicht zufriedenstellend. Aber es würde doch wenigstens unsere Politik wieder durchlässig machen für die menschliche Not. Wir würden immerhin erkennen, dass wir weitaus mehr leisten können, als wir aktuell tun – und dass wir mit unserer Abschottungspolitik genau das nicht tun, was uns selbst wirtschaftlich und demographisch helfen würde.
Wer gefährdet unsere Sicherheit?Doch wie sollen wir umgehen mit den Ängsten in der Bevölkerung und mit ihren negativen Erfahrungen? Dass es die gibt, haben nicht nur die Kölner Silvesternacht 2015/2016 und der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016 drastisch gezeigt. Muss die Politik darauf nicht eingehen?
Selbstverständlich muss sie das. Es ist Aufgabe der Politik, für Sicherheit zu sorgen. Diskriminierungserfahrungen von Frauen und Trans-Menschen sind nicht zu verharmlosen, auch dann nicht, wenn sie von Geflüchteten ausgehen. Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus ist real. Nicht nur in Deutschland mussten Geheimdienst und Polizei bereits mehrere islamistische Terror-Anschläge verhindern. Die Anfeindungen, denen JüdJuden unter uns auch von MigrantMigranten ausgesetzt sind, sind nicht hinnehmbar. All das braucht eine starke staatliche Antwort.
Die Politik darf die Gefahr aber auch nicht größer zeichnen, als sie ist. Viele Ängste sind durch Falschmeldungen in den Sozialen Medien genährt. Dann werden Geflüchtete zu Unrecht verdächtigt. Wo das geschieht, sind sie es, die unseren Schutz verdienen.
Ein Generalverdacht gegen Geflüchtete würde unser gesellschaftliches Miteinander vergiften und der überwältigenden Mehrheit der Geflüchteten großes Unrecht tun. Die Allermeisten sind froh, Verfolgung, Krieg oder anderen Nöten entronnen zu sein. Sie wissen es zu schätzen, dass sie bei uns Aufnahme gefunden haben. Sie lernen unter großen Mühen unsere Sprache und verhalten sich loyal. Sie wollen nichts weiter als ein Leben in Frieden und Sicherheit und sind gerne bereit, ihren Beitrag zu leisten.
Gefahren dürfen nicht kleingeredet werden. Wo Menschen frei sind, können sie ihre Freiheit missbrauchen, um anderen zu schaden. Davor müssen wir uns schützen. Auch dann, wenn die Bedrohung von Geflüchteten ausgeht.
Darüber dürfen wir jedoch eine andere Gefahr für Freiheit und Demokratie nicht übersehen, die uns derzeit massiv bedroht. Sie lauert ausgerechnet bei denen, die am lautesten brüllen, dass sie uns schützen wollen: bei den Rechten. Und am
gefährdetsten sind die, vor denen die rechten Regierungen Europas vorgeben, uns zu schützen: die Menschen, die sich auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Armut in Lebensgefahr begeben müssen. Tausende von ihnen finden jährlich im
Mittelmeer den Tod
Wenn die Rechten die Oberhand gewinnen, ist es aus mit Freiheit und Menschenwürde. Diese Gefahr müssen wir heute bannen. Und das können wir nicht, indem wir selbst nach rechts rücken, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie würden sich nur bestätigt fühlen.
Es ist beschämend, mitansehen zu müssen, wie DemokratDemokraten aus Angst vor den Rechtsradikalen alle menschenrechtlichen Standards beiseite schieben und sich auf schmutzige Geschäfte mit Tyrannen einlassen, damit diese wehrlose Bootsflüchtlinge jagen und abgeschobene Menschen wieder unter ihre Gewalt bekommen, die ihnen unter großen Opfern entronnen waren.
Wo Regierungen derart verrohen, wenden sich auch diejenigen Fachkräfte angewidert ab, um die wir an den internationalen Hochschulen werben.
Die wichtigste Forderung auch der Migrationspolitik ist der Kampf gegen die Erderhitzung. Denn wenn die nicht rasch gestoppt wird, werden innerhalb weniger Jahrzehnte riesige Weltregionen unbewohnbar sein. Milliarden Menschen werden auf einer Erde mit knapper werdenden Wasser- und Nahrungsressourcen ihre Heimat verlieren. Klimamigration und Verteilungskriege in nie gekanntem Ausmaß werden die Folge sein. Das müssen wir gemeinsam verhindern.
Menschen in Not durch lebensgefährliche und menschenrechtswidrige Hürden von der Flucht abzuschrecken, ist mit den Werten Europas nicht vereinbar. Wer die Flüchtlingszahlen senken möchte, ohne Menschen in Not im Stich zu lassen, muss die Fluchtursachen bekämpfen.
Natürlich kann die Europäische Union nicht alle Fluchtursachen beseitigen. Aber die Spielräume, die sie hat, um die Lebensbedingungen von Menschen in ärmeren Ländern zu verbessern, muss sie ausschöpfen. Beispielsweise durch Investitionen
in Bildung, Infrastruktur und in die erneuerbaren Energien, ohne die sich diese Länder nicht klimaschonend entwickeln können. Oder durch Mittel für den „Fonds für Umgang mit Klimaschäden“, der auf der COP28 beschlossen wurde
„Müssen wir in der Migrationspolitik nicht auch bedenken, was Migration in den Ländern bewirkt, aus denen die MigrantMigranten kommen – in den Auswanderungsländern? Ziehen wir mit unserer Anwerbepolitik nicht Fachkräfte ab, die dort dringend benötigt werden?“
Antwort
Das ist eine berechtigte Frage. Wer pflegt in den Ländern, aus denen unsere Pflegekräfte kommen, die Kranken und Alten? Wer heilt die Kranken in den Ländern, denen die ausgebildeten ÄrztÄrzte nach dem Medizinstudium den Rücken kehren?
Doch die Freizügigkeit einzuschränken, um andere Länder vor der Auswanderung ihrer Fachkräfte zu schützen, kann die Lösung nicht sein. Denn zum einen profitieren viele dieser Länder erheblich von den Zahlungen ihrer ausgewanderten
Arbeitskräfte an die Daheimgebliebenen. Im Gobalen Süden fließt vieles davon in Trinkwasser, Lebensmittel, Gesundheitsvorsorge und in die Bildung von Kindern, die anders keine Schule besuchen könnten
Vor allem aber hat jeder Mensch das Recht, sein Land zu verlassen, zumal dann, wenn dort die Lebens- und Arbeitsbedingungen unzumutbar sind. Statt dieses Recht zu verwehren, sollten wir die Attraktivität von Auswanderungsländern verbessern durch Stärkung ihrer Wirtschaft, Friedensvermittlungen sowie durch die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen und Korruption.